Wildstrubel – Überschreitung

Was für ein Glückstag! Bereits Mitte März abgemacht mit Bergführer Christian Wäfler (Lämmerenhütte), konnten die Bedingungen nicht besser sein. Nach dem Aufstieg auf die Engstligenalp vom Vortag und der Übernachtung im Berghaus Bärtschi standen wir um 04.30 Uhr auf – mühelos, weil wir vor Anspannung ohnehin schon länger wach waren.Nach dem Frühstück dann Start um halb fünf. Im Licht unserer Stirnlampen querten wir die Ebene der Alp („Läger“), um kurz vor Gruebi über eine Brücke links zu halten in Richtung Flyschweng. Auf einer guten Spur begann es richtig steil zu werden – Christian’s Ankündigung, dass sich daran in den nächsten anderthalb Stunden nichts ändere, beruhigte uns, weil so schnell Höhenmeter „gemacht“ werden. Um 06.20 dann die ersten Sonnenstrahlen – die unter uns liegende Alp noch im Schatten liegend. Auf einer Höhe von ca. 2400 m dann der erste Schneekontakt, guter und leicht gefrorener Trittschnee, kaum sichtbare Spuren. Eine halbe Stunde später montierten wir die Steigeisen, und Christian nahm uns ans Seil. Der folgende sehr steile Aufstieg im Firn (ca. 35°) war ein richtiger Genuss – Christian hackte uns jeden Tritt 2-3mal vor. Bei gemächlichen „Arbeitstempo“ erreichten wir bei etwa 2600 m eine Felsrippe, überstiegen diese, um dann auf den Strubelgletscher (unterhalb P. 2751) zu gelangen. Dieser war noch gut eingeschneit – hier soll der Gletscher spaltenreich sein – wir bemerkten davon nichts. In diesem steilen Abschnitt näherten wir uns in einem leicht nach links gezogenen Bogen (in der Nähe bereits vorhandener Spuren) der Schlüsselstelle. Den Früestücksplatz im Blickfeld, war zuerst eine geröllige (und rutschige) Runse zu queren. Dann folgte die sehr steile (und abrutschgefährdete) Steilstufe unterhalb des eigentlichen Früestücksplatzes, welchen wir um 08.00 erreichten. Zu dieser Zeit waren Rösly und Margrit im Bärtschi beim frühstücken – sie haben uns per SMS geschrieben, uns beobachtet zu haben!! Übrigens: Früestücksplatz heisse die Stelle deshalb, weil dann zuhause gefrühstückt werde – vorausgesetzt, man ist früh dran… Wir befanden uns nun auf eine Höhe von ca. 2800 m; über schiefrigen Geröll/Fels erreichten wir den oberen Teil des Ammertegletschers. Auf noch immer gutem Firn hatten wir den letzten steilen Teil vor uns; unterhalb eines mächtigen Ausläufers des Grosstrubels überwanden wir das wohl bald schneefreie Band, um dann etwas flacher ansteigend um 09.00 Uhr das Strubeljoch (3098 m) zu erreichen. Kurze Bemerkung zum Wetter: die leichte Bewölkung kam uns entgegen, weil die Temperatur erträglich war und sich der Firn nicht zu stark aufweichte. Auf dem Strubeljoch dann ein erster Panoramablick zu den Wallisern im Süden – unbeschreiblich! Wir richteten ein Rücksackdepot ein, um dann in Richtung Ost den ersten Gipfel anzustreben. Eine halbe Stunde später, nach einer Gesamtaufstiegszeit von 4 Stunden, standen wir auf dem Grossstrubel (3243 m) – keine schlechte Leistung für uns Senioren! Und was für ein überwaltigendes Erlebnis! Nach etwa 20 Minuten Gipfelgenuss der Abstieg über den Firn zurück zum Rücksackdepot, wo wir uns etwas stärkten.

Vor uns die etwa 1800 m lange Strecke zum Mittelgipfel (3243.5 m). Die etwa 140 Aufstiegsmeter waren eine einzige Panoramawanderung, links im Süden die Walliser Hochalpen, rechts im Norden die der Ausblick nach Adelboden und Lenk. Allerdings galt es aufzupassen, weil die Firngrate teilweise verwächtet waren; Christian führte uns souverän hinüber. Den Mittelgipfel kannten wir ja schon von unserer Schneeschuhtour vom 6. Februar 2015. Kurz nach elf Uhr standen wir oben – Genuss pur, ausgezeichnete Fernsicht, wenig Wind, schönstes Wetter! Nach ausgiebiger Gipfelrast dann Beratung über das weitere „Programm“. Wir entschieden, den dritten Gipfel (den Lenkergipfel, 3243.5 m) auszulassen. Die so gewonnene halbe Stunde wollten wir „investieren“ in einen (späteren) gemütlichen Hüttennachmittag (Siesta, und so!).

Für den Abstieg auf dem auch hier gut eingeschneiten Wildstrubelgletscher entledigten wir uns der Eisen; der aufgeweichte Firn war auch ohne sehr gut zu begehen (selbstverständlich noch immer angeseilt!). Zügig erreichten wir die Steilstufe beim bekannten Gletscherauge bei ca. 2850 m. Auch in diesem Bereich waren die unter uns liegenden Spalten nicht zu sehen. Wir bewegten uns in Richtung Mittelmoräne und überquerten diese. Kurz vor dem Brücklein (eine Art Leiter) unterhalb des Lämmerenhorns war abseilen angesagt. Die verbleibende Strecke bis zur Hütte dann über schwarzgrauen Schutt und Stein – ziemlich staubig! Die Lämmerenhütte erreichten wir nach (gemütlichem Abstieg) um 13.45 – gerade richtig zu Kaffee und Kuchen!

Ein Wort zur Lämmerenhütte:
Seit 23 Jahren wird diese vom Hüttenwartehepaar Barbara und Christian Wäfler geführt. Die Hütte liegt aussichtsreich auf einem Felsplateau unterhalb des Lämmerenhorns auf 2507 m. Der phänomenale Ausblick auf den Lämmerenboden, den Gemmipass und zu den bekannten Gipfeln in der Nachbarschaft (Daubenhorn, Rinderhorn, Altels). Für heute Montagabend waren 13 Gäste angemeldet; dank dieser Belegung durften wir einen Schlafraum ganz für uns alleine nutzen. Die Lämmerenhütte ist ein richtiges Bijou, und sie wird erstklassig geführt – unser grosses Kompliment der Familie Wäfler! Wir kommen wieder!

Fazit:
Nach unserer Winterbegehung im Februar dieses Jahres ging für uns ein vorerst etwas abenteuerlicher, aber grosser Wunsch in Erfüllung – die Überschreitung von der Adelbodner Seite her. BF Christian meinte im Nachhinein, „dass es diese Tour schon noch in sich habe“ – ein schönes Kompliment für unsere Leistung. Wir waren sehr erstaunt darüber, wie wir die doch sehr lange und fordernde Tour bewältigten, ohne Erschöpfung, ohne Krampf… Das war unsere bislang schönste Hochtour.

Parameter:
Tour-Datum: 29. Juni 2015
Strecke: 13.009 km
Engstligenalp (Berghaus Bärtschi) – Läger – Flyschweng (P. 2216) –
P. 2591 – Strubelgletscher – Früestücksplatz – Ammertegletscher – Strubeljoch – Grossstrubel – Strubeljoch – Mittelgipfel – Wildstrubelgletscher – Lämmerenhütte SAC
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Aufstieg: 1594 m
Abstieg: -1028 m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: 9 Std. 15 Min.
Benötigte Zeit ohne Pausen: ca. 7 Std. 23 Min.
GPS-Maschine: Garmin Montana 600, Topo Schweiz V.4

Kameras: Nikon Coolpix P900 und Nikon D7000

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