Vom Centovalli über den Gridone (2188 m) an den Lago Maggiore

Das gibt jetzt ein etwas längerer Bericht. Schliesslich haben wir zwei seit bald vier Jahrzehnten ein „Gschleipf“ – und heute durften wir unseren 29. Hochzeitstag feiern. Und zwar im Rifugio Al Legn – dieser sagenhaft gelegenen Hütte. Doch wie gelangt man dort rauf? Dem Rat von Daniel S. (Hüttenwart) folgend, wählten wir den Aufstieg aus dem Centovalli. Nach langer Anfahrt bis Locarno dauerte die Fahrt mit der Centovallibahn 30 Minuten. Direkt bei der Haltestelle Verdasio bestiegen wir die Seilbahn Verdasio-Rasa, welche uns in ein paar Minuten die ersten 370 Aufstiegsmeter elegant bewältigen liess. In Rasa starteten wir um 10 Uhr. Erst der schattige Abstieg vorbei am in Renovation stehenden Häuserkomplex Terra Vecchia (wo bis 1700 die Bewohner des heutigen Rasa lebten). Vom tiefgelegenen P. 663 der kurze Aufstieg nach Bordei, wo die lauschig  gelegene Osteria di Bordei zum Startkafi einlud. Nach dieser Stärkung wurde es ernster; vorbei an den letzten Häusern von Bordei stiegen wir ins Val di Bordei hinein. Immer schön dem Wasser entlang liefen wir durch eine prächtige Naturlandschaft hoch – vorbei an mächtigen Steinbrocken und an einer Höhle (die wir aber nicht besuchten). Ab und zu waren die Wegmarkierungen stark verwittert, so dass wir auf unsere Hilfsmittel und Pfadfindertugenden angewiesen waren. Nun gut, verlaufen konnte man sich hier nicht, das enge Tälchen bot kaum Möglichkeiten dazu. Die wilde Gegend gefiel uns so sehr, dass wir gar nicht richtig bemerkten, wie steil es zunehmend wurde. Recht abwechslungsreich (mal im Schatten, dann wieder an der Sonne) war der Aufstieg ein grosses Vergnügen. Zur Mittagszeit genossen wir in der Nähe einer unter einer Felswand stehenden Schutzhütte eine erste Pause. Über uns der Gridone, dessen mächtiges Gipfelkreuz nicht zu übersehen war. Und weit und breit keine Menschenseele! Ungefähr ab 1600 m (unterhalb Fumadiga) führte der nunmehr gut sichtbare Pfad ein letztes Mal über den Bach um dann felsig und weiterhin steil zur schon von weitem zu sehenden Bocchetta di Valle hoch zu steigen. Wir vermuten, dass dies einmal ein idealer Schmuggler-Übergang gewesen sein muss(?!). Oben angekommen, verschlug es uns beinahe den Atem – und das nicht etwa nur des Aufstiegs wegen! Praktisch von einem Meter zum nächsten dieses grossartige Panorama (welches sich in Bilder besser beschreiben lässt). Hier oben mussten wir einfach pausieren! Aber es kam noch besser! Nachdem wir uns wieder gefasst hatten, nahmen wir den Aufstieg zum Gridone (auch Ghiridone oder Monte Limidario genannt) in Angriff. Wir entschieden uns für die sonnig gelegene Aufstiegsvariante zum Grat – das steile Couloir war schön griffig und bot keine ernsthaften Schwierigkeiten. Ab P. 2138 führte der Pfad entlang der Landesgrenze (I-CH) vorbei an einer markant gebauten Messstation. Kurz nach einer Senke dann die letzten 50 Aufstiegsmeter, wo die Hände definitiv eingesetzt werden mussten (und die Stöcke vorzugsweise aufgebunden sind). Auf dem Gipfel dann ein 360-Grad-Panorama vom Feinsten! Nicht nur wir, auch drei weitere Gipfelstürmer waren offensichtlich überwältigt; jedenfalls wäre das eine Erklärung dafür, dass nichts wurde aus dem offiziellen Gipfelbild (in der Aufregung drückte der Mitwanderer einfach zu schwach auf den Auslöser…). Den „Ärger“ bemerkten wir zu spät. Hier oben soll der Weitblick angeblich zum Duomo di Milano reichen – trotz bester Wetterlage blieb uns dieser Fernblick verwehrt. Der Blick zu den grossen Wallisern entschädigte uns reichlich. Mittlerweile war es 17 Uhr, Zeit also für den kurzen Abstieg zur Hütte hinunter, welche wir nach etwas mehr als einer Stunde erreichten. Leicht enttäuscht darüber, die Hütte nicht (wie angenommen) für uns alleine zu haben, gewöhnten wir uns problemlos an die vier weiteren Gäste (ein nettes Paar aus dem Aargau, ein solches aus Verbania). Was uns auf der Alpe Arolgia im Rifugio Al Legn geboten wurde, war schlicht und einfach phänomenal. Vom bis zum Vorabend anwesenden Hüttenwartpaar Barbara und Daniel wurden uns vorbereitete Speisen und Getränke bereit gestellt – über diesen überraschenden und sehr persönlichen „Empfang“ freuten wir uns und wir danken den beiden für diese ausserordentliche Idee, unseren Hochzeitstag zu verschönern. Gastfreundschaft pur – wir kommen bestimmt wieder einmal!!

Vom erstklassigen Risotto con funghi porcini (von Barbara frisch geerntet!) gesättigt und (nicht nur) vom ausgezeichneten Merlot ermattet, genossen wir den letzten nächtlichen Blick hinunter auf das Lichtermeer um den Lago Maggiore. Selten haben wir in einer Hütte derart gut geschlafen! Schön, dass sich ein paar Idealisten zusammen gefunden haben, um diese Hütte vor zwanzig Jahren zu bauen!

Gut erholt, und nicht zu früh (so um sieben Uhr), weckten uns die ersten Sonnenstrahlen. Wiederum alles verfügbar für ein reichhaltiges Frühstück – einfach paradiesisch! Bestens erholt und gut gestärkt machten wir uns auf den Abstieg nach Brissago hinunter. Im Wissen darum, die rund 1600 Abstiegsmeter eventuell abkürzen zu können (Ruftaxi ab Mergugno für Fr. 40 für die Fahrt nach Brissago), machten wir uns keine Sorgen über unsere Knie. Der Abstieg war derart abwechlungsreich und geprägt von spannenden Landschaftsbildern, dass wir Mergugno bald erreichten und nicht daran dachten, es uns „bequemer“ zu machen. Vor allem die Strecke bis Mergugno war sehr reizvoll – auch wenn der Goldregen im Bosco sacre nicht mehr blühte. Ab Mergugno verlief ein Teil des Abstiegs auf der geteerten Strasse; nach Rovere boten sich immer wieder Abkürzungsmöglichkeiten, welche es allerdings nicht zu übersehen galt. Bei Incella (ein Vorort von Brissago) führte der Weiterweg zwischen Villen und anderen Häusern hinunter. Froh darüber, Brissago (Pontile) nach diesem langem Abstieg erreicht zu haben, nutzten wir die Zeit bis zum Eintreffen des Schiffs unsere Flüssigkeitsspeicher aufzufüllen. Die Schifffahrt via Isole di Brissago – Ascona nach Locarno bot uns ausreichend Zeit zur Erholung und den Genuss, immer wieder zum markant stehenden Rifugio Al Legn hoch zu blicken. Nach der Landung im Hafen von Locarno belohnten wir uns mit einer Gelato; dann die Weiterfahrt nach Intragna und von dort mit der Bahn wieder nach Verdasio. Die netten Leute vom Rifugio di Legn haben uns den Super-Tipp abgegeben, einen zusätzlichen Tag auf dem Monte di Comino einzuplanen. Doch darüber berichten wir später.

Fazit:
So erlebnisreich dürfen unsere Hochzeitstage immer wieder sein – im kommenden Jahr dann zum Dreissigsten…

Parameter 1. Tag (Rasa-Bordei-Bocchetta Di Valle-Gridone-Al Legn):
Strecke: ca. 11.2 km
Rasa – Bordei – Bocchetta Di Valle – Gridone – Al Legn
Alpine Bergwanderung, Schwierigkeit: T4-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Benötigte Zeit inkl. Pausen: ca. 7 Std.

Parameter 2. Tag (Al Leng-Mergugno-Brissago):
Strecke: ca. 9 km
Al Legn – Mergugno – Brissago
Bergwanderung, Schwierigkeit: T3
Benötigte Zeit inkl. Pausen: ca. 4 Std.

Parameter  (2 Tage, gesamt):
Tour-Datum: 6./7. September 2016
Strecke: 20.228 km
Aufstieg: 1720 m
Abstieg: ca. -2414m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: ca. 11 Std.

GPS-Maschine: Garmin Montana 600, Topo Schweiz V.4

Kameras: Nikon Coolpix P900 und Nikon D7000

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