Ein lang gehegter Wunsch erfüllten wir uns heute: die Wanderung hoch zum Lai Chazforà (rätoromanisch lai für «See» und chazforà «Schaumkelle», wohl aus Sassforà abgeleitet). Alternativ könnte die Tour bis Alp Sadra mit dem Bike zurückgelegt werden, dadurch wären zu Fuss etwa 200 Hm weniger zu bewältigen; das war für uns aber keine Option, weil wir heute unsere Form über 1000 Hm im T3-Bereich testen wollten. Ausserdem war es so eine veritable Rundtour mit Start in Tschierv Curtin da Plaz und Ziel Fuldera.
War der Einstieg noch gut markiert (WW-Wegweiser Lai da Chazforà, ohne Zeitvorgaben), waren der beinahe schnurgerade Aufstieg dürftig markiert (einige wrw-Markierungen an Bäumen). Das Gelände ziemlich steil (25 bis 30%), alles im Wald, der Grund vom vielen Wasser sehr tief, ausserdem haben die Holzerarbeiten «gewirkt», Spurensuche war also angesagt. Bei P.1863 erreichten wir die Via Alp Sadra, welcher wir etwa dreihundert Meter folgten. Dann rechts weg in einer Spitzkehre in Richtung Funtauna Grossa; die schöne Lichtung mit Hütte und Rastplatz erreichten wir wenige Minuten später. Dreihundert Meter oberhalb machten wir am Waldrand eine Markierung aus. Jetzt mussten über eine steile, aber abwechslungsreiche Strecke von 900 m etwa 250 Hm erstiegen werden, manchmal auf kaum sichtbaren Spuren. Beim schön gelegene Hüttlein auf Era da la Bescha («Schafweide», ca. 2200 m.ü.M.) bot sich die Gelegenheit für eine Pause mit Sitzbank vor der (offenen) Hütte. Das Gebimmel unterhalb der Hütte nahender Kühe brachte uns auf die gute Idee, aufzubrechen. Ab jetzt mussten über eine steile, aber abwechslungsreiche Strecke über verschiedene Rampen von 900 m etwa 250 Hm erstiegen werden. Die Landschaft änderte von lieblich zu felsig – dafür waren die Spuren wieder deutlich. Vierhundert Höhenmeter über 1.8 km Strecke bis zum See – ein gutes Stück Arbeit. Gelegentlich wurde es >30% steil, aber wir wurden mehr als entschädigt: Alpenrosen-Gärten, einzelne Lärchen, schöne Zwischenstufen, mit Ausnahme eines grösseren Schneefelds einfach zu begehen. Nach etwa zweieinhalb Stunden standen wir fast schon plötzlich am höchsten Punkt des Tages, dem wunderschön gelegenen Lai da Chazforà – was für ein Bijou! Und der Ausblick grandios, 400 m über uns der mächtige, mehrgipflige Piz Turettas (2962 m), westlich in 1.5 km Luftlinie der Piz Dora (anderthalb Stunden ab hier, T3, 2851 m), dazwischen der Blick zu den Livigno-Alpen mit dem dominanten Piz Quattervals (3165 m), und links des Piz Turettas leuchtete der Gletscherriese Ortler (3905 m). An einem windgeschützten Ort eine längere Rast, wo wir mitgebrachte Leckereien genossen – schöner geht Bergwandern nicht! Was jetzt folgte, war eine kombinierte Grat- und Blockwanderung unter dem Motto: immer ganz oben bleiben und beim Springen ja nicht zwischen die Blocks fallen. Die Wegspur über den Blockgrat Muntet kaum sichtbar, und nach den Farbmarkierungen mussten wir ab und zu länger Ausschau halten, um sie nicht zu übersehen. Immer wieder waren Blöcke unter Einsatz der Hände in leichter Kletterei zu überwinden, nie ausgesetzt, aber doch recht anspruchsvoll. Schnelles Vorankommen war nicht möglich. Gut, dass wir über gutes Schuhwerk verfügten und die Adiletten zuhause liessen… Rechts, ungefähr 120 Hm unter uns, trennte uns das kleine Val Turettas vom hohen Turettas-Massiv – sehr eindrückliche Gesteinsschichten. Für die ca. 1.5 km bis kurz zum östlichsten Punkt benötigten wir eine gute Stunde. Am Eingang des kleinen Tälchens bewegte sich eine grosse Ziegenherde aufwärts in die Blocks – dass mussten Klettergeissen sein! Bevor wir den Grat zum Abstieg verliessen, die heute einzige Begegnung: ein gesprächiger Einzelkämpfer aus dem Vinschgau, der uns seine Lebensgeschichte in wenigen Minuten erzählte – sympathisch! Wir wollten weiter, schliesslich stand der Abstieg zur schöne gelegenen Hütte Salinas bevor; fast zweihundert Höhenmeter über felsige Tritte und nasse Kuhtritte. Zweihundert Höhenmeter weiter unten wanderten wir über eine mittlerweile gute Spur über schönstes Weideland an der Alp Sadra vorbei. Auf der gesamten Strecke betörend der Tiefblick ins obere Val Müstair und nach Lü und dem über dem Dörfchen liegenden Alpen Valmorain und Tabladatsch und zu den Gipfeln Muntet und Piz Terza. Mittlerweile wieder im leicht bewaldeten Gebiet, erreichten wir den östlich gelegenen Wendepunkt im verbauten Val Ruina mit dem gleichnamigen Bergbach, welcher viel Wasser führte. Auf einem Forstweg, vorbei an einer installierten Seilwinde für offensichtlich laufende Holzerarbeiten, gelangten wir zum Punkt 1850 Plaun Grond, wo wir nach rechts auf einen schmalen, dem Zaun entlang verlaufenden Pfad abbogen, um über Fastais das in einer Lichtung stehende Wasserreservoir zu erreichen. Über von unseren Schneeschuhtouren bestens bekanntes Gelände parallel zum stark verbauten Aval da Ruina erreichten wir am Ostrand von Fuldera Daint bei Dschurnaidias, und über die Holzbrücke bald das Ortszentrum von Fuldera – wo uns das Staila mit seiner orangen Fassade schon entgegenleuchtete: endlich das verdiente Bier!
Fazit:
Eine wunderschöne, in Abschnitten anspruchsvolle Bergwanderung durften wir heute erleben, mit tollen Aussichten unterhalb des Piz Turettas. Formtest bestanden!
Wetterverhältnisse:
Ein prachvoller, sommerlicher Bergtag mit viel Sonne und Temperaturen im Bereich 10 bis 23° C, trocken, an exponierten Stellen böiger Wind (ca. 10 bis 15 km/h NW)
Ausrüstung:
Bergwanderschuhe, Stöcke, Kartenmaterial Swisstopo, GPS
Parameter:
Tourdatum: 14. Juli 2024
Schwierigkeit: T2 (Blockgrat Muntet T3)
Strecke: 12 km, Postauto ab Fuldera Cumün bis Tschierv Curtin da Plaz (1660 m) – Graschitsch – Plaun Camona – P.1863 (Via Alp Sadra) – Sur Pedra Grossa – Via Döss At – Funtauna Grossa (1919 m) – Era da la Bescha (2200 m) – P.2525 – Lai da Chazforà (2597 m) – Blockgrat Muntet (ca. 1.5 km, P. 2522 und P. 2470) – kurz vor dem östlichsten Gratpunkt (2426 m) Abstieg bis zur Hütte Salinas (2237 m) Alp Sadra (2046 m) – Val Ruina, P.1928 – P.1850 – Plaun Grond – Fastais – Wasserreservoir (1733 m) – Plaun Multa Dora (1703 m) – Multa Daint – Fuldera Daint – Dschurnaidias – Fuldera (1636 m)
Aufstieg: ca. 1000 m
Abstieg: ca. -1020 m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: 7 Std. 20 Min.
Benötigte Zeit ohne Pausen: 5 Std. 10 Min.
Tageszeit: 08:55 bis 16:15 Uhr
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