Monte Generoso (1701.3 m), Überschreitung auf einsamen (Schmuggler-)Pfaden

Zwei Tage nach Eröffnung Mario Bottas „Fiore di pietra“ – am Montag also eine Bergtour auf den Publikumsberg Monte Generoso! Schon am Vorabend waren Berg und „Steinblume“ vom Hotelzimmer aus gut zu sehen – eindrücklich. Nach dem Frühstück um neun Uhr starteten wir direkt vom Hotel in Richtung Kirche, dann mitten durch das typische historische Zentrum Rovio. Bei den letzten Häusern am Ortsrand vorbei an ein paar Rebzeilen, dann etwas steiler werdend, um bei der Verzeigung P. 581 nicht in Richtung Bellavista, sondern leicht links zu halten. Bis hier könnte 4×4 gefahren werden, was an den abgestellten Autos zu erkennen ist. Der Pfad verläuft im Wald (Buchen, Kastanien), rechts vorbei am Monte Sant’Agata, einem Pilgerberg der Einheimischen. Nach einer Weideabsperrung erreichten wir eine schöne grüne ebene Lichtung. Genau mitten in dieser Lichtung verliessen wir den Pfad nach rechts, um auf kaum erkennbarer Spur auf einem Grätchen direkt hoch zu steigen, wohlwissend, später den über Bogo ausholenden Weg wieder zu erreichen (Wegweiser „Sentiero“ mit handschriftlicher Ergänzung „Crocette“ und „Mte. Generoso“). Jetzt wurde es deutlich steiler – und ziemlich wild! Als mittlerweile erfahrene Wanderer „fanden“ wir in grösseren Abständen immer wieder mal undeutliche wrw-Markierungen (meist an Bäumen). Aber auch ohne Markierungen gab es nur eine Möglichkeit: in dieser schmalen Rinne zickzack hoch zu steigen. Zum Glück spendeten uns die Bäume Schatten, denn die Sonne heizte schon ein. Bei P. 1140 erreichten wir die Pianche, einen Grat, auf dem wir nun die Richtung nach O änderten, um möglichst auf diesem weiter aufzusteigen. An einigen lichten Stellen wurde der Blick frei zum Baraghetto und zum Observatorium auf dem Monte Generoso. Unterhalb der Cima Crocetta dann ein deutlicher Pfad, über den wir den lichten Übergang erreichten. Jetzt standen wir genau auf der Landesgrenze CH-I. Wegweiser und eine gute Spur wiesen uns nach rechts in Richtung S – links unter uns die Alpe di Gotta. Nach einem kurzen Aufstieg erreichten wir den Grenzstein 23.2 – hier geht es senkrecht runter, gegenüber die bizzaren Felsformationen der Cima dei Torrioni. Hier verläuft der gut erhaltene Pfad steil und über befestigte Treppen hinauf zum P. 1488 (Cima dei Torrioni). Jetzt wurde auch der Blick frei nach Osten ins italienische Val d’Intelvi hinunter. Auf den umliegenden Alpen herrschte noch Ruhe, was sich wohl bald ändern wird. Über P. 1445 aufsteigend erreichten wir vorbei am Grenzstein 23.4 die Cima della Piancaccia, einem auf 1610 m liegenden Übergang. Zum Monte Generoso werden noch 30 Minuten angegeben. Vor uns gut einsehbar der weitere Wegverlauf östlich des Klettersteiggebiets des Baraghetto, dessen Einstieg zur Via ferrata Angelino wir mieden. Kurz vor dem Monte Generoso konnten wir es dann doch nicht sein lassen, und wir liessen uns von den Fixseilen zum Direktaufstieg verleiten. Quasi von hinten erreichten wir den abgesperrten Gipfel – einige Gipfelbesucher spendeten uns verwunderte Blicke. Der Dunst verwehrte uns den uneingeschränkten Fernblick, grandios ist das 360°-Panorama dennoch! Eindrücklich auch der Blick zum Baraghetto, resp. zum massiven Grenzfelsen (mit Schweizerkreuz) und zur Casetta della Contessa Vitaleschi – welch famose Lage! Nun nichts wie runter zur Bergstation und ins nagelneue Gipfelrestaurant (Mario Bottas „Fiore di pietra“). Auf dem gesamten Aufstieg begegneten wir keiner einzigen Menschenseele (nicht mal Schmuggler!), dafür einem Mäuschen und zwei Gämsen – aber jetzt hatte uns die Zivilisation wieder.

Im schönen Selbstbedienungsrestaurant verpflegten wir uns mit leckeren Salaten – und fassten den Entschluss, nicht wie eigentlich geplant, mit der Bahn bis Bellavista abzufahren. Vor uns also der ultimative Härtetest für Ruedis Knie mit mehr als 1300 Abstiegsmetern. Schon mal so viel im Voraus: alles ging bestens! Die breite und etwas rutschige Piste entlang der Bahn war nicht so unsere Sache, der Blick ins Valle di Muggio hinunter schon mehr. Nach Überquerung eines Bahnübergangs (die Zugführerin winkte uns lässig zu!) erreichten wir bald die Station Bellavista. Hier bei P. 1221 verliessen wir die Zivilisation wieder – nicht ohne die überraschende Begegnung mit einem Bekannten: Der Mensch (Armin Schelbert), sonst meist am Grossen Mythen anzutreffen, war ebenfalls unterwegs. Nach kurzem Gespräch also stachen wir hinab in den Buchenwald. Nach etwa fünfhundert Streckenmetern Laubwandern(!) ging es so richtig zu Sache; meist weglos oder auf schwachen Spuren, immer wieder von umgestürzten Bäumen „belästigt“, und ziemlich steile und rutschige Steilhänge querend, zuletzt den Lauf der total ausgetrockneten Viganale querend, waren wir froh, die Alpe di Melano zu erreichen. Schwer vollstellbar, hier in ein Gewitter zu geraten – dann müsste hier der Teufel los sein… Sogar ein älterer Mann, welcher die Alpe temporär bewohnt, begrüsste uns und bot uns Wasser von seinem Brunnen an; das war eine herzliche Begegnung, und wir konnten sogar ein paar Brocken italienisch kommunizieren. Ab hier sei der Weg wieder ein Weg, und „un bel sentiero“. Das hofften wir gerne! Nun gut, ab und zu gerieten wir in schluchtartiges, ziemlich bizzarres Gelände, und gelegentlich sanken wir im Buchenlaub bis zu den Knien ein. Das war zwar lustig, aber nicht ganz ungefährlich, weil die Unterlage recht ruppig war. Zwischendurch „tröstete“ uns eine der spärlichen Markierungen, auf dem richtigen Weg zu sein. Bei P. 573 überquerten wir die wenig Wasser führende idyllische Sovaglia über eine steinerne Brücke. Jetzt wurde der Pfad ruhiger und bald erreichten wir den uns vom Aufstieg bekannten P. 581 (Verzweigung Generoso/Bellavista). Jetzt noch der kurze Abstieg durch alt-Rovio zum Ausgangspunkt.

Fazit:
Eine durchaus attraktive, aber auch laaaaange und etwas streckenweise abenteuerliche Bergwanderung, welche etwas pfadfinderische Fähigkeit abverlangte. Spannend fanden wir das allemal. Und das Wichtigste: Ruedis Knie hat den Härtetest bestens überstanden.

Wetterverhältnisse:
Sonnig, aber ziemlich dunstig, Tageshöchsttemperatur ca. 23°, sehr angenehm für eine Bergwanderung im Tessin.

Hilfsmittel:
Stöcke; Kartenmaterial (wichtig!)

Parameter:
Tour-Datum: 10. April 2017
Schwierigkeit: T3 bis T4 (Gipfelaufstieg I)
Strecke: 16.3 km, Rovio (ab Hotel) – Centro storico (498 m) – P. 581 Verzweigung Generoso/Bellavista – Salera – Torricello (954 m) – P. 1040 Pianche – Cima Crocetta (1360 m) – P. 1425 (Grenzstein 24.2) – P. 1488 (Cima die Torrioni) – P. 1445 – Cima della Piancaccia (1610 m – Grenzstein 23.4 – Einstiegstelle Via ferrata Angelina (Baraghetto) – Monte Generoso (oder Galvagione) 1701.3 m – „Fiore di pietra“ (Steinblume) – P. 1447 – P. 1365 – Bellavista (1221 m, Station Monte Generoso-Bahn) – Alpe di Melano (903 m) – Valle della Carbonera – P. 573 (Brücke über die Sovaglia – P. 581 – Rovio Paese
Aufstieg: ca. 1337 m
Abstieg: ca. -1333 m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: 8 Std. 51 Min.
Benötigte Zeit ohne Pausen 6 Std. 03 Min.
Tageszeit: 09:00 bis 18:00 Uhr

Kamera:
Nikon Coolpix P900

4 Gedanken zu „Monte Generoso (1701.3 m), Überschreitung auf einsamen (Schmuggler-)Pfaden“

  1. Hallo Ruedi und Doris
    Wir waren die letzen Tage im Tessin und habe Eure Tour auf den Monte Generose gewandert, ein sehr schöne wenn auch etwas anstrengende Tour. Wir hatten am Fr. 2. Juni sehr ähnliche Wetterverhältnisse wir Ihr Anfang April, leider auch ziemlich dunstig, daher nicht sehr sichtig, schade. Aber sonst eine wirklich sehr abwechslungsreiche Tour. Auch uns gefiel das Teilstück zur Bellavista runter nicht, aber die anderen Wege waren toll mit interessanter Natur. Wir konnten im Aufstieg und kurz vor dem Gipfel mehrmals Gemsen sehen:-)
    Gerne werden wir wieder einmal eine Eurer Touren wandern.
    Liebi Grüess Mägi und Roland

    1. Liebe Mägi, lieber Roland
      Das greut uns wirklich, dass ihr zwei eine unserer Touren abgewandert seit – herzliche Gratulation dazu! Und Glück (mi tder Gemsen) hatteat Ihr auch, toll! Wir sind zurzeit in der Toscana un zu faulenzen:-)… Liebe Grüsse Doris und Ruedi

    1. Danke, nein den Dom von Milano haben wir nur imaginär „gesehen“, zu viel Luftfeuchtigkeit (=Dunst) in der Luft. Dafür haben wir viele Grenzsteine gesehen und dabei an die armen Zöllner gedacht, die dort auf die Schmuggler warten (hihihi…). Liebi Grüess Ruedi (und Doris)

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