Vorwort:
Zu Fuss auf der Nufenenpassstrasse – das geht nur im Winter, wenn die Wintersperre gilt. Dann ist das Val Bedretto am Oberlauf des Flusses Ticino ein vergessenes Tal. Wenige kommen auf die Idee, am Südportal des Gotthardstrassentunnels ins Tal des jungen Ticino abzubiegen. Im Winter fällt hier nicht selten Schnee in rauhen Mengen. Oft gehen an den hohen Bergflanken grosse Lawinen nieder, was dazu führt, dass das Tal zeitweise von der Aussenwelt abgeschnitten ist. Der grösste Teil des Tals gehört zur gleichnamigen Gemeinde Bedretto, zu welcher auch die Ortschaften Ronco Bedretto, Villa Bedretto und Ossasco zählen. Das erste Dorf im Tal, Fontana, liegt auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Airolo. Die höchstgelegene Ortschaft im Tal ist All’Acqua, wo in der Regel die Wintersperre beginnt, und die Skitouren- und Schneeschuhläufer unter sich sind. Auf den beiden Talseiten warten viele Gipfelziele und bekannte Hütten, z. B.: auf der Südseite der Pizzo San Giacomo, der Pizzo Grandinagia, das Helgenhorn und das Gebiet um die Cristallinahütte, auf der Westseite die Capanna Corno-Gries am Eingang des Val Corno und wenig später am Südfuss des Nufenenstocks der Cornopass und als Übergang ins italienische Val Formazza der Griespass. Auf der Nordseite das Chüebodenhorn, der Pizzo Rotondo und weiter östlich der Pizzo Lucendro. Oberhalb All’Acqua, auf der Alpe di Rotondo, steht die Capanna Piansecco auf einer Höhe von 1980 m, welche wir heute zu erreichen hofften…
Die Idee, die Hütte in einer Runde über die Alpe di Cruina (P.2097) via die Cave delle Pigne zu erreichen, um dann dem Sommerweg folgend durch die Riale di All’Acqua abzusteigen, entpuppte sich bald als Illusion – der Lawinengefahr wegen. Wir starteten beim hintersten Parkplatz in All’Acqua. Auf der Passstrasse lag hier bestimmt ein Meter Schnee. Viele Spuren, hart gefroren, ideale Verhältnisse also für einen Schneeschuhspaziergang. Nach etwa einem Kilometer ein erstes Gefahrenzeichen: ein etwa 70 m breiter einige Tage alter Lawinenzug im Bereich der Riale Partus war auf immerhin sicheren Spuren zu überqueren. Ab und zu war zu erkennen, dass wir auf der Passstrasse liefen, zur Linken der eingeschneite Ticino – wunderbar! Vor der ersten Doppelkurve verliessen wir die Strasse, um direkt zu P.1837 aufzusteigen. Bald weitete sich das Gelände, und vor uns lag die Cantina di Cruina – von den Gebäuden waren nur die Dächer zu sehen. Vor uns türmten sich der Nufenenstock und der Scaglia di Corno auf, links war die Capanna Corno-Gries (das «Alpenraumschiff») auszumachen. Einige hundert Meter nach der Cantina di Cruina verliessen wir die Passstrasse, um über unverspurtes Gelände direkt aufzusteigen – etwas krampfen wollten wir schon noch! Ziel war es, den knapp 100 Hm höher gelegenen P.2097 an der Haarnadelkurve der Passstrasse zu erreichen. Das Gelände erreichte eine Steilheit von knapp 30°, schweisstreibende Spurarbeit war gefordert – zum Glück sanken wir auf der windgepressten Unterlage nur wenig ein. 400 Meter vor der Haarnadel kapitulierten wir: zu heikel erschien uns der Weiterweg in Richtung Capanna Piansecco. Machte nichts, also Umkehr im steilen Gelände. Nahe P.2041 – dort wo im Sommer ein Wanderweg die Passstrasse unterquert, stehen ein paar Hütten, und wenige Meter daneben ragten einige Felsbrocken aus dem Schnee – ideal für eine Mittagsrast bei Windstille(!) und voll an der Sonne. Beste Aussicht zu den gegenüber stehenden Gipfeln, u.a. Helgenhorn. Etwa dreihundert Meter westlich, am Fuss der Scaglia di Corno, fanden einige Gämsen etwas Nahrung auf einer abgeblasenen Moräne. Vom aussichtsreichen und absolut ruhigen Rastplatz konnten wir uns kaum losreissen. Im folgenden Abstieg beobachteten wir bei Paltano von der Doppelkurve aus einige Skitourenfahrer, welche vom Helgenhorn via Passo San Giacomo abfuhren – spektakulär! Auf der restlichen Strecke entlang des Ticino war wieder der Lawinenzug zu überqueren. In diesem Bereich beobachteten wir etwas irritiert einige verwegene Skitüreler im lawinengefährdeten, steilen und südseitig ausgesetzten Gelände, die es offensichtlich nicht sein lassen konnten. Beim unterbesetzten Parkplatz in All’Acqua angekommen, schloss sich unsere landschaftlich sehr reizvolle Schneeschuhwanderung – respektabel in der Distanz, etwas weniger anspruchsvoll als auch schon. Nach kurzer Fahrt erreichten wir Ronco, wo wir für drei Nächte im hübschen Berghotel Stella Alpina logierten (sehr zu empfehlen, ausgezeichnete regionale Küche!)
Fazit:
Ein frühlingshafter Schneeschuh-Wandertag im uns unbekannten Bedrettotal – wir kommen gerne wieder!
Wetterverhältnisse:
Viel Schnee, anfänglich hart und windgepresst, im Tagesverlauf unterhalb 2000 m.ü.M. sulzig, ungetrübter Sonnenschein, frühlingshafte (-6° bis 6° C), kaum spürbarer Wind (gemeldet war starker Nordföhn mit Böen von 50 bis 80 km/h).
Lawinengefahr:
Laut SLF Stufe 3 erheblich (seit Tagen)
Ausrüstung:
Schneeschuhe, Stöcke, LVS, Sonde, Schaufel, GPS
Parameter:
Tour-Datum: 22. März 2021
Schwierigkeit: WT2
Strecke: 11.6 km, All’Acqua (oberster Parkplatz) – Manió (1740 m) – Doppelkurve bei P.1837 – Cantina di Cruina (1902 m) – Alpe di Cruina P.2028 – P.2056 (Umkehrpunkt) – Abstieg wie Aufstieg
Aufstieg: ca. 460 m
Abstieg: ca. -460 m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: 4 Std. 40 Min.
Benötigte Zeit ohne Pausen: 3 Std. 20 Min.
Tageszeit: 10:10 bis 14:50 Uhr