Torre de los Horcados Rojos (2503 m) – Picos de Europa

Eigentlich wollten wir auf der Hinfahrt nach Spanien zuerst über den Norden (Kantabrien, Asturien) anreisen. Das dort unstabile Wetter hielt uns davon ab – was für ein Glück! Nach den Tagen in Zentralspanien (Sierra de Gredos) wurde es uns langsam etwas zu heiss, so dass wir in Richtung Norden «flüchteten» mit einem zweitägigen Zwischenhalt in Tordesillas (sehr schönes Camping direkt am Duero). Die Wetterprognosen sagten bestes Wetter voraus für den geplanten Besuch der Picos de Europa. Von den im Sommer in dieser alpinen Berggegend oft auftretenden Fallnebel sollten wir verschont bleiben. In Potes, einem Ort mit ca. 1400 Einwohnern in der autonomen Region Kantabrien und Hauptort der Comarca Liébana – ein ziemlich touristisches «Bergdorf» auf einer Höhe von 293 m. ü M. liegt etwas ausserhalb des Dorfes das genial angelegten Camping La Viorna; von hier geht der Panoramablick zu den Gipfeln der Picos. Passender konnte die Einstimmung auf unsere Tour nicht sein.

Für die 24 km Fahrt auf guter, kurvenreicher Strasse zur Talstation Fuente Dé (1078 m) benötigten wir 25 Minuten. Die Bergfahrt hoch zur Bergstation El Cable (1853) dauerte 4 Minuten; die Bahn (eine Konstruktion ohne Stütze) macht einen soliden Eindruck, transportiert von 10 Uhr bis 18 Uhr viertelstündlich 20 Personen (Berg- und Talfahrt € 17 pro Person). Oben angekommen, verabschiedeten wir uns von den vielen Spaziergängern und strebten sogleich in Richtung Nord. Auf einer Schotterstrasse erreichten wir nach 20 Min. den Übergang Hdna de Covarrobres (1926 m) – hier könnte man weiter laufen zum Chalet Real und zum Ref. Ordiozola. Kurz vor dieser Passhöhe hielten wir links, auf einen breiten, holprigen Pfad bis zur Gabelung La Vueltona (1940 m). Auf diesem Abschnitt faszinieren die zur linken Seite gelegenen glasklaren und grün leuchtenden Lagos de Lloroza. Vor uns in Luftline von 2 km der aus dieser Perspektive unnahbare Gipfel Torre de los Horcados Rojos – kolossal! Können wir den schaffen? Denn ab jetzt wurde es winterlich; der weitere, steiler werdende Aufstieg verlief nun weitgehend über Schnee. Bereits vorhandene Trittspuren wiesen den «Weg», abwechselnd über Schottersteine und Schnee. Orientierung bot auch die schon in der Sonne glitzernde Aluminiumhülle der Cabaña Verónica – einer kleinen Biwakhütte. Auch wenn wir auf dem weichen Schnee kaum einsanken, wären Schneeschuhe keine schlechte Option gewesen, weil das Gelände immer steiler wurde. Ausserdem galt es heikle Passagen in der Nähe von Blocks zu meiden, weil dort üblicherweise hohe Einsink- und folglich Verletzungsgefahr besteht. Unterhalb der Bergflanke des Peña Vieja waren einige steile Schneehänge zu queren. Hier müsste laut Führerliteratur an einem Felsen die Inschrift «Horcados Rojos» zu lesen sein – wohl des Schnees wegen nichts zu erkennen. Die Trinkpause bot uns auch Zeit für eine kurze Besinnung: können wir den Gipfel schaffen? Die Verhältnisse (ab hier durchgehend Schnee und steil) waren ziemlich kräfteraubend. Gut 20 Min. später erreichten wir P.2274 (Abzweigung zu Biwakhütte). Jetzt hatten wir nach rechts zu halten (was uns ein spanisches Bergsteigerpaar bestätigte), wo über eine Trittspur auf einer weiter aufsteilenden Schneehalde nach 15 Min. der Übergang Collado de los Horcados Rojos (2344 m) erreicht war. Jetzt stieg unsere Zuversicht schlagartig an, nicht zuletzt des Ausblickes wegen: dieser erwartete Blick zum berühmten Picu Urriellu (2518 m), und zur Atlantikküste (30 km Luftlinie). Und auf der rechtsliegenden Seite der (von hinten) nicht mehr so unbezwingbar erscheinende Gipfel, dessen Westseite glücklicherweise schneefrei war. Voll motiviert nun der «Angriff» zum 160 m aufragenden Torre, sehr steil und wegen des Schutts rutschig. Zickzack hinauf, nun öfter die Hände einsetzend, erreichten wir eine halbe Stunde später den Gipfel, nach insgesamt 2.5 Std. Laufzeit. Kurz vor dem höchsten Punkt dann noch die Schlüsselstelle, eine leicht nach rechts abdrängende, ausgesetzte Stelle, die wir aber etwas links haltend umgehen konnten. Und dann dieses Gipfelglück! Ein Panorama der Sonderklasse – befanden wir uns tatsächlich in Spanien?? Trotz windstiller Verhältnisse machten wir uns nach diesem Gipfelgenuss bald auf den Abstieg. Auf dem Collado de los Horcados Rojos dann die verdiente Verpflegungspause. Hier faszinierte vor allem nochmals der Blick zum Picu Urriellu resp. zum an dessen Fuss stehenden (von hier nicht sichtbaren) Refugio de Urriellu. Von dieser Seite sahen wir zwei Berggänger aufsteigen; auch kein einfaches Unterfangen. Nach der Rast die «Abfahrt» über den steilen Schneehang hinunter zum P.2274. Den Besuch des Biwaks sparten wir uns (hin und zurück 30 Min.), dort gibt es ohnehin keine Wirtschaft. Im weiteren Abstieg folgten die bereits vertrauten Traversen über die (eventuell) rutschgefährdeten steilen Schneehalden, nun etwas einfacher, weil eben absteigend. Immer wieder drehten wir uns um und bestaunten «unseren» Gipfel – nicht ohne Stolz. Endlich war die Gabelung La Vueltona wieder erreicht. Ab hier nun schneefrei weiter, die schönen Seelein oberhalb querend, El Cable anstrebend. Vorbei am Übergang Hdna de Covarrobres war die Bergstation rasch erreicht – gerade rechtzeitig zur unmittelbaren Talfahrt um 17 Uhr.

Fazit:
Fast schon eine Hochtour war das heute, jedenfalls mit sehr alpinem Charakter, im Nationalpark Picos de Europa im Norden Spaniens. Und in Sachen Flüssigkeit eine wichtige Feststellung: mangels Bergbeizen unbedingt ausreichend Nahrung und vor allem Flüssigkeit mitnehmen!

Wetterverhältnisse:
Ein Hochsommertag, kein Wind, bis 33° (!).

Hilfsmittel:
Rother Wanderführer «Picos de Europa», Onlineinfos und Kartenmaterial, GPS-Maschine

Parameter:
Tour-Datum: 31. Mai 2019
Schwierigkeit: T3-4, I-II, L (leichte Hochtour)
Strecke: 11.4 km,
Aufstieg: ca. 740 m
Abstieg: ca. -740 m
Laufzeit ohne Pausen: total ca. 4 Std.
Laufzeit mit Pausen: total ca. 5 Std., 50 Min.
Tageszeit: 11:00 bis 16:50 Uhr