Tour de l’Argentine VD

Die Idee einer Bergwanderung in dieser uns unbekannten Alp- und Berglandschaft schwirrte schon länger in unseren Köpfen rum. Das für Mittwoch angekündigte Schönwetterfenster begünstigte unsere Spontanentscheidung. Die enge Fahrstrasse hoch bis zur Alp Solalex (Gemeinde Bex) endet hier und wir parkierten gebührenpflichtig. Mittlerweile war es Mitte des Nachmittags und es musste noch vor wenigen Minuten geregnet haben; nun war es trocken und die ersten Sonnenstrahlen sorgten für wohltuende Erheiterung. Die vermuteten mächtigen Berge (Les Diablerets im Norden, Arête de l’Argentine im Süden) hüllten sich in dunkle Wolken. Nach einem Start-Tee zogen wir los: auf unbefestigtem Fahrweg in Richtung Alp Anzeinde. Unter dem wolkenverhüllten Les Diablerets-Massiv waren über drei Kilometer etwa 420 Hm aufzusteigen. In diesem engen, steilen, schluchtartigen Gelände sollte man sich nicht unnötig lange aufhalten, vor allem bei Gewittergefahr. Der wilde L’Avonçon de l’Anzeinde hinterlässt jede Menge Geröll und Blocks; die von den Flanken herunter reissenden Runsen machten gehörig Eindruck – also schnell durch! Nach einer Stunde öffnete sich das Gelände zur Alp Anzeinde. Freundliche und gwundrige Muttertiere und auch die Sonne empfingen uns. Wenige Meter weiter unser Logis: Refuge Giacomini. Von Patron Rodolphe Muller wurden wir freundlich empfangen und eingewiesen. In dieser sehr empfehlenswerten Unterkunft wurden wir mit einem vorzüglichen Nachtessen verwöhnt. Erwartungsvoll legten wir uns zur Ruhe. Zum Frühstück dann die vom Patron in Aussicht gestellte Überraschung: schönstes Wetter auf dieser wunderbaren Hochebene. Und rundherum diese schönen Berge (Les Diablerets, Arête de l’Argentine). So loszulaufen ist unglaublich motivierend! Adieu Refuge Giacomini! Wenige Meter oberhalb führte der Wanderpfad links an der unbewarteten Cabane Barraud CAS vorbei. Auf dem mässig steigendem Weg wurden wir von fröhlich galoppierenden Viechern begrüsst. Nach etwa vierzig Minuten war der heute höchste Punkt, der Col des Essets, erreicht. Vor uns weitete sich der Blick, zur linken der massige Grand Muveran, geradeaus die Gipfel der Dents du Midi, rechts der zu umrundende Arête de l’Argentine. Der Abstieg zur etwa 250 Hm tiefer liegenden Alp (Plan des Bouis) verlangte etwas Vorsicht, weil ruppig und mit grossen Tritten versehen. Wunderschöner Kalkstein-Karr und (noch) viele blühende Blumen. Auf dem flachen Teil der Alp angekommen, stellten wir beruhigt fest, dass sich die Herden (und vor allem die zugehörigen Herdenschutzhunde) etwas oberhalb bewegten. 600 m vor La Vare hielten wir am markierten Wegpunkt nach rechts; hier könnte man auch bis zu den Alphütten von La Vare laufen, dort eine Suppe geniessen, und die Erhebung Les Confins zu umrunden. Oberhalb Les Confins durchquerten wir in leichtem Auf und Ab wunderbares Karrgelände. Bald war auch Les Etroits und dann der P.1759 erreicht; hier mündet auch der Aufstieg von La Vare. Der Weiterweg war nun vollständig einzusehen: über knapp 1 km resp. 240 Hm Aufstieg bis Sur Champ war der Lion d’Argentine (2273 m) zu unterqueren. Nicht sehr steil, aber an einigen Stellen war das Gelände plattig und steil abfallend. Auf Sur Champ angekommen, war es Zeit für eine ausgiebige Mittagsrast. Kein Kunststück, diesen sehr aussichtsreichen Punkt zu geniessen. Im Süden der Grand Muveran mit seinem kleinen Gletscherchen (Plan néve), im Westen die Dents du Midi, im Rhonetal St-Maurice und Monthey, nordwestlich der Genfersee, etwas weiter nördlich das nahe Villars-sur-Ollon.

Gut verpflegt machten wir uns daran, den kurzen, aber sehr steilen und wegen des Regens der vergangenen Tage rutschigen Abstieg von ca. 60 Hm zu bewältigen – vom über uns aufragenden Lion d’Argentine bewacht. Unterwegs bis zur La Motte wieder leicht aufsteigend, waren einige schiefrige Runsen zu queren. Stöcke sei Dank, gelang dies sicher. Bei La Motte wechselte die Richtung nach NO, erst leicht absteigend über Les Planards und danach über schönstes Wandergelände wieder aufsteigend bis zum Punkt Roc du Châtelet. Jetzt begann der etwa 2.3 km lange, etwas mühsame Abstieg. Gleich zu Beginn die unangenehme Schlüsselstelle: steil, feucht und schattig die sehr rutschige Steilstufe – die im Dreck liegenden Ketten würden zwar Sicherheit bieten, wir fanden aber den kraftvollen Einsatz unserer Stöcke wirkungsvoller. Abstürzen kann man hier nicht, aber Abrutschen wäre ebenso unangenehm. Alles ging gut, der weitere noch immer steile Abstieg führte durch Wald und über einige wenig Wasser führende, aber gfürchige Runsen. Nach einer knappen Stunde Abstieg erreichten wir den kurz vor Solalex liegenden Parkplatz und dreihundert Meter später die Alphütten und Wirtschaften. Im Garten des Restaurant Miroir d’Argentine genossen wir es, den Durst zu löschen, während der Logen-Blick hoch zu den eindrücklichen Miroirs de l’Argentine ging, wo im 6. Grad (nach UIAA-Skala) geturnt wurde (siehe Bilder).

Fazit:
Eine absolut faszinierende Rundtour in einer uns unbekannten Gegend – sehr lohnend! Und noch etwas: über die Klimabilanz unserer An- und Rückreise (mit dem Auto) wird sich die Klima-Gretel wohl kaum freuen. Aber mit den ÖV in diese sehr abgelegene und hinterste Ecke des Tälchens des L’Avonçon de l’Anzeinde zu reisen, bedürfte den doppelten Aufwand. Die Hin- und vor allem auch die gemütliche Rückreise (Villars – Col de la Croix – Col du Pillon – Simmental – Thuner-/Brienzersee – Brünigpass) haben wir trotzdem sehr genossen. Gleiches gilt für diese Zweitages-Wanderung.

Wetterverhältnisse:

Am 1. Tag bedeckt, aber trocken, am 2. Tag schönes Wetter bei einiger Quellbewölkung, keine Gefahr von Niederschlägen, ca. 15 bis 22°, Wind vernachlässigbar.

Hilfsmittel:
Stöcke (unbedingt), Kartenmaterial, GPS-Maschine

Parameter:
Tour-Datum: 13./14.08.2019
Schwierigkeit: T3
Strecke: 14.1 km, Solalex (1469 m) – P.1536 – P.1709 – Anzeinde (1873 m) – Refuge Giacomini (1893 m) – Übernachtung – Cabane Barraud CAS (1955 m) – Col des Essets (2029 m) – Boëllaire (1970 m) – Plan des Bouis – La Vare (Verzweigung vor der Alp auf ca. 1770 m) – Les Etroits – P.1759 – Sur Champ (1959 m) – La Motte (1940 m) – Les Planards (1985 m) – Roc du Châtelet (1856 m ) – Brücke über den L’Avonçon de l’Anzeinde (1425 m) – Solalex
Aufstieg: ca. 920 m
Abstieg: ca. -930 m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: 7 Std. 15 Min.
Benötigte Zeit ohne Pausen: 5 Std. 15 Min.

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