Wenn Weinbauer Yvon Roduit in Fully ruft, gibt es mehrere Möglichkeiten, an seine grossartigen Weine zu kommen; diesmal entschieden wir uns zu einem Besuch. Dass sich damit eine schon länger geplante Bergwanderung verbinden liesse, bot sich geradezu an. Endlich mal wieder in den Bergen im französischsprachigen Unterwallis. Am Vortag (Feiertag im Wallis) die nicht gerade kurze Anreise nach Martigny, wo wir für zwei ÜN gebucht hatten.
Am Freitag, bei bestem Bergwanderwetter, die kurze Fahrt nach Ovronnaz, wo uns der Sessellift Ovronnaz-Jorasse (in Betrieb 8:30-12:45 und 13:30-17:00 Uhr, Berg- und Talfahrt Fr. 18.00/Person) die 580 Hm bequem aufstiegen liess. Heute ohne Startkafi, liefen wir los um halb zehn – das Ziel war, die letzte Talfahrt nicht zu verpassen. Auf der Strecke zur Alp Petit Pré, etwas mehr als 1 km, dünnte sich das Feld der Wanderer aus. Hier beginnt die eigentliche Rundwanderung. Waren bis hierher nur wenige Aufstiegsmeter zu bewältigen, begann der moderate Aufstieg gleich hinter den Alpgebäuden. Nördlich des Le Greppon Blanc durch ein liebliches Tälchen, erreichten wir bald die prächtige Ebene Euloi – die sich während der Schneeschmelze in einen See verwandelt. Dominiert wird der Ausblick vom Tête Séri (2850 m, T4, I), diesem bildschönen, steilen Zahn. Diesen verführerischen Koloss vor Augen, durchwandelten wir die Hochebene in westlicher Richtung bis zum gut einsehbaren Aufstieg, der uns zum Col de Fenestral hoch führte. Diesen heute mit 2453 m.ü.M. höchstgelegenen Punkt erreichten wir nach weniger als zwei Stunden, wir durften zufrieden sein. Was für ein herrlicher Blick sich hier öffnete: das Mont Blanc-Massiv dominiert, und wenige Meter unterhalb des Übergangs die Cabane du Fenestral, die zur Einkehr lockte: Kafi und Apfelwähe – bei Aussicht ein doppelter Genuss! Von der Cabane führt der Weg oberhalb des betörend leuchtenden Lac Supérieur de Fully; der See ist ein Reservoir und speichert das Wasser des Wasserkraftwerks in der Nähe von Fully. Das Kraftwerk wurde 1915 in Betrieb genommen – eine Pionierleistung! Bis 1934 wies das Wasserkraftwerk mit 1643 Metern die weltweit grösste Bruttofallhöhe auf. In südlicher Richtung führte der Pfad der Westflanke des etwa siebenhundert Meter aufragenden Grand Chavalard vorbei. Oberhalb der Cabane de Sorniot und mit Blick zum Lac Inférieur de Fully fanden wir eine aussichtsreiche Position für die Mittagspause – paradiesisch! Auf dem Weiterweg der kurze Aufstieg zu den steilen Südflanken des Grand Chavalard. Hier hat man das gesamte Rhonetal und Fully im Blick, das direkt unterhalb und etwa 1700 m tiefer liegt. Spannend: an diesen Hängen findet jeweils einer der aufregendsten Sportevents im Wallis statt: der «Kilomètre Vertical de Fully». Bei diesem Rennen werden 1000 Höhenmeter bezwungen, gerannt wird auf einer unbenützten Standseilbahnstrecke. Mit Steigungen von 60% gilt das Rennen als eines der steilsten und schnellsten weltweit. Unsere Wanderung war da um einiges gemütlicher, aber durchaus anspruchsvoll – jedenfalls sollte man in den steil abfallenden Rüfen den Blick nach unten schon wagen können. Gut, wer trittsicher und schwindelfrei ist. Der schmale Pfad hält auch Biker nicht ab, hier durchzufahren – ein besonders bemitleidenswerter Biobiker erlebte sogar ein kleines Desaster: einen Platten am schlauchlosem (unplattbarem…) Pneu. Nachdem die Südhänge des Grand Chavalard gequert waren, geht es Richtung Norden. Bei Lerié (1852 m) dann ein kleiner Wanderparkplatz; von hier aus wird oft auch die Besteigung des Grand Chavalard unternommen. Einheimische wissen, dass bis hierhin an Wochenenden auch ein Rufbus (Navette) verkehrt. Das teilweise abenteuerliche «Strässchen» führt hoch vom Bergdörfchen Chiboz (1328 m). Dort liegt auch das Restaurant Au Relais des Chasseur – wo wir heute Abend die verbrannten Kalorien wieder zuführen… So weit ist es aber noch lange nicht: unterhalb des Parkplatzes verliessen wir das Strässchen; nach einem kurzen Abstieg wurde es nochmals anspruchsvoll: der Aufstieg über zweihundert Höhenmeter durch das immer enger, steiler und wilder werdende Tälchen L’Etroit (definitiv T3-Gelände) zur Gîte de Lui d’Août und wenig später Alp Petit Pré. Danach folgte ein letzter, kurzer Aufstieg zur Bergstation des Sessellifts Jorasse, wo die Rundwanderung endete und das Restaurant mit Panoramaterrasse im Prinzip zum Verweilen einlädt – fünf(!) Minuten zu spät, Betriebsschluss 16:15 Uhr – eigenartig, die letzte Talfahrt erst um 17 Uhr. Hauptsache rechtzeitig geschafft – und wie!
Nachgang:
Nach Dusche und kurzer Erholung die ziemlich abenteuerliche Fahrt ins Bergrestaurant hoch nach Chiboz (auf Empfehlung von Yvon!). Grandios die Aussicht, ebenso das Essen (Biche = Hirschkuh, lecker)! Nur halt mit wenig Wein und einem Gläschen Abricotine (exklusiv für die Beifahrerin). Sonst wären die gefühlt hundert Kurven nicht zu schaffen gewesen…
Fazit:
Schon länger auf unserer Wunschliste: eine Bergwanderung der Superlative durch eine vor allem im zweiten Abschnitt «wilde» Naturlandschaft. Die lange An- und Rückreise trotz allem sehr lohnend…
Wetterverhältnisse:
Bestes Sommerwetter, wolkenlos, im Verlauf des späten Nachmittags teilweise vorüberziehende Quellbewölkung, trocken, Temperatur ~22.8°, wenig Wind 4 km/h ONO.
Hilfsmittel:
Bergwanderschuhe, Stöcke, Kartenmaterial Swisstopo, GPS
Parameter:
Tour-Datum: 16. August 2024
Schwierigkeit: T2-3
Strecke: 15 km, SchweizMobil Nr. 220, Bergstation Jorasse (1946 m) – Petit Pré (1998 m) – Euloi (2101 m) – Col de Fenestral (2453 m) – Cabane du Fenestral – Cabane de Sorniot (2052 m) – Lerié (1852 m) – Gîte de Lui d’Août (1959 m) – Petit Pré – Bergstation Jorasse
Aufstieg: ca. 1020 m
Abstieg: ca. -1021 m
Benötigte Zeit inkl. Pausen: 6 Std. 50 Min.
Benötigte Zeit ohne Pausen: 5 Std.
Tageszeit: 09:30 bis 16:20 Uhr